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Fachtag: Zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung

12.12.2018

WEINGARTEN – Mit einem Fachtag zum Thema „Entwicklung der Hilfen für Menschen mit Behinderung zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung“ hat die Stiftung KBZO ihren bunten Reigen an Veranstaltungen anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens abgerundet und damit noch einmal einen fachlich bemerkenswerten Schlussakkord gesetzt.


Die permanente bedarfsorientierte Weiterentwicklung ist der inhaltliche und konzeptionelle rote Faden durch die 50-jährige Geschichte der Stiftung KBZO, die 1968 als Elterninitiative mit der Betreuung und Förderung von drei Kindern im Vorschulalter ihren Anfang genommen hat. Eine konzeptionelle Entwicklung, die sich immer am individuellen Förder- und Betreuungsbedarf zunächst eines jeden Kindes, später jeder Schülerin und jeden Schülers und erwachsenen Menschen mit Behinderung orientiert hat.


„Für uns als Pädagogen, als Einrichtung und Sozialunternehmen stellt sich in Zeiten der Inklusion, in Zeiten der UN-Behindertenrechtskonvention und aktuell in der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes die Frage, was diese Entwicklungen für unser professionelles Selbstverständnis  bedeuten“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung KBZO, Dr. Ulrich Raichle, in seiner Begrüßungsrede. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob die moderne Ausrichtung pädagogisch-andragogischen Handelns allein an der Zielperspektive Selbstbestimmung und Teilhabe ausreichend sei. „Muss nicht der Begriff der Fürsorge neu definiert werden, von seinem veralteten und verstaubten Image der Bevormundung oder gar Entmündigung losgelöst und eher im ursprünglichen Wortsinn von Schutz und Sicherheit?“, fragte Raichle.


Vom Außenseiter zum Ausnahmekönner


Diese und weiterführende Fragen wurden im Rahmen des Fachtags von verschiedenen Seiten beleuchtet. Der Scheinwerfer richtete sich zunächst auf zwei hochkarätige Impulsgeber: Prof. Karin Terfloth und Matthias Berg. Der Sportler (27 Medaillen bei Paralympics und Weltmeisterschaften), begnadete Hornist und erfolgreiche Jurist aus Esslingen entwickelte eigene Strategien, um sein Leben mit einer Contergan-Behinderung in die Hand zu nehmen, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und die gesteckten Ziele zu erreichen. Humorvoll, augenzwinkernd, aber auch zum Nachdenken anregend, schilderte er seinen langen Weg vom Außenseiter zum Ausnahmekönner. Sein Credo: „Es kommt nicht darauf an, wo das Schicksal dich hinstellt, sondern darauf, was du daraus machst.“ Und: „Ich konzentriere mich auf das, was ich kann, nicht auf mein Defizit.“


„Helikopter-BetreuerInnen“


Dass Schutz und Sicherheit in der Erziehung unerlässlich sind, aber auch in der Behindertenhilfe durchaus falsch interpretiert werden können, verdeutlichte Karin Terfloth in ihrem nicht minder erfrischenden Fachvortrag über sogenannte „Helikopter-BetreuerInnen“. Die Professorin für Pädagogik bei schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung und Inklusionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ging auf anschauliche Weise der Frage nach: „Wie viel Fürsorge ist für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf zu viel?“ Terfloth plädierte in diesem Zusammenhang für „Unterstützung zur Selbstständigkeit, Robustheit, Empathie und Problemlösefähigkeit, um so den Umgang mit schwierigen Emotionen, Situationen und Konflikten lernen zu können“.


In sechs Fachforen wurde die Thematik weiter vertieft und anschließend präsentiert und diskutiert. Dabei äußerten sich die rund 120 TeilnehmerInnen durchweg positiv über diese gelungene Form des fachlichen Austauschs. „Ziel unseres Fachtags war es, den Teilnehmern zu veranschaulichen, dass Selbstbestimmung und Teilhabe selbstverständlicher Teil der Fachlichkeit und der Haltung von Mitarbeitern sein müssen“, resümierte Christian Mahl, Geschäftsbereichsleiter Wohnen & Leben an der Stiftung KBZO.

„Mach was draus“: Matthias Berg ist gleich auf vier Gebieten außerordentlich erfolgreich: als Jurist, Musiker, Sportler und Referent. Als solcher begeistert er die TeilnehmerInnen des KBZO-Fachtags.
 
 Rund 120 TeilnehmerInnen füllen das Laurentius-Speisehaus zum KBZO-Fachtag.

Dr. Ulrich Raichle im Gespräch mit Prof. Karin Terfloth.

Christian Mahl, Geschäftsbereichsleiter Wohnen & Leben an der Stiftung KBZO.

Die inklusive Theaterwerkstatt Bilderblume begeistert mit einem Auszug aus ihrem neuen Stück „Romeo und Julia - Vogelperspektive“.

„Wir haben sehr viele Erkenntnisse mitgenommen“: Die TeilnehmerInnen des KBZO-Fachtags bei der abschließenden Talkrunde.

Matthias Berg signiert sein Buch „Mach was draus“.
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